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Worte aus dem Unbewussten

Oft ist Schreiben wie Fahrradfahren, ein Glas Wasser trinken oder einen Regenschirm aufspannen. Es gehört zum Leben, zum Alltag dazu – von der Einkaufsliste bis zum Kondolenzbrief. Dabei ist es mehr Körperfunktion als Kunst. Gäbe es da nicht noch dieses andere Schreiben. Eines, in das man sich reinlegt, wie in eine summende Wiese. Das einen davonträgt, wie intensives Lesen, nur von der anderen Seite her. Doch während ich beim einen auf eine jahrzehntelange Praxis zurückgreifen kann, ist es beim anderen nicht so einfach. Es lässt sich nicht zur gewünschten Zeit auf den Schreibtisch stellen, wie eine Vase mit frischen Schnittblumen. Viel eher überkommt es mich dann, wenn ich mit vollen Einkaufstaschen an der Kasse stehe, beim Sport schwitze oder sonst irgendetwas mache, bei dem ich keine Hand mehr frei habe.

Zu Beginn habe ich mich sehr schwergetan damit. Darum habe ich mich durch Lehrbücher gearbeitet, bis ich herausgefunden hatte, welcher Schreibtyp ich bin. Da gibt es so einige. Etwa die Hinhauer, die seitenweise Text in den Computer hacken. Das klappt natürlich nur, wenn sie auch glänzende Überarbeiter sind. Diese aber kommen erst richtig in Form, wenn genug Baumaterial da ist, mit dem sie basteln können. Dann gibt es die Strukturalisten: Plot, Subplot, das Setting und sämtliche Wendepunkte sind bei ihnen schon klar, bevor es an die Umsetzung geht. Und dann wären da noch die Assoziierenden. Träumer. Tagträumer. Ihre Texte entstehen aus dem Unbewussten. Sie vertrauen darauf, dass die Struktur sich später von alleine einstellt.

Es hat eine Weile gedauert. Und dann bin ich wieder dort angekommen, wo ich losgelaufen war. Beim Unbewussten, das den Worten und ihrem Klang einen Raum gibt. Lange hatte ich mich nicht mehr getraut. Während dieser Zeit war es auf einmal gar nicht mehr leicht, das Schreiben. Stattdessen habe ich Böden geschrubbt, Kleiderschränke neu eingeräumt und Schokoladenkuchen gebacken. Voller Ungeduld. Heute bringe ich sie mir bei, die Geduld. Jeden Tag ein bisschen. Wobei, das bin ja gar nicht ich, sondern das Buch. Da gibt es Prozesse, die lassen sich nicht vorspulen. Und das gehört vielleicht einfach auch dazu. Sind die Worte aber erst mal da, dann freue ich mich. Denn so richtig aufblühen, das tue ich erst beim Überarbeiten.


Seraina Kobler, 17. März 2019

Seraina Kobler