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Wie finde ich meine Geschichte?

Wenn mich jemand fragt, was ich gerade schreibe, antworte ich meistens: etwas Fiktionales. Ein fiktionales Buchprojekt. Denn Literatur, das ist so ein grosses Wort. Ein bisschen einschüchternd. Schade eigentlich, dieser Reflex. Denn Worte gehören doch uns allen. Sie sollen geteilt und weitergesponnen werden. Sie bringen uns zum Nachdenken, zum Lachen und manchmal auch zum Weinen. Deshalb stehen die kommenden Wochen im Denkraum des Museums Strauhof unter dem Motto: Zwischen Journalismus und Literatur. Sozusagen eine Ortsangabe im Prozess.

Als ich im Sommer 2017 beschloss, nicht mehr an meine Inlandstelle bei der Neuen Zürcher Zeitung zurückzukehren, da dachte ich: Schreiben, das kannst du ja nun. Ich hatte in dem Jahrzehnt zuvor viele Artikel, Reportagen und Essays geschrieben. Jetzt schreibst du ein Buch, habe ich im Wochenbett nach der Geburt meiner jüngsten Tochter – vielleicht noch leicht grössenwahnsinnig – beschlossen. Doch so einfach war das nicht. Als allererstes und bei genauerer Betrachtung des Vorhabens, hat mich die schiere Fülle der Möglichkeiten erschlagen. Beim faktischen Schreiben, da gibt es immer etwas, woran man sich halten kann. Ausserdem sind da Blattmacher, Kollegen im Ressort und aktuelle Themen.

Wie finde ich meine Geschichte? Das sollte also die erste Frage sein, die es zu beantworten galt. Vorgegangen bin ich dabei, wie es zuweilen die Mediziner zu tun pflegen, nach dem Ausschlussverfahren. Das hiess vor allem auch eines: Mich frei schreiben. Von all den Klischees, den schiefen Bildern und ungenauen Vorstellungen, die den aktiven Teil meines Gedächtnisses besetzten. Zwei fehlgeschlagene Romananfänge und viele durchdachte Nächte später, meine Tochter machte inzwischen schon ihre ersten Schritte, hatte ich mich durch die Schichten gearbeitet. Dorthin, wo ich eine Sprache gefunden habe und Figuren, die sich für mich natürlich verhalten.

Seraina Kobler, 14. Februar 2019

Seraina Kobler